Wolfgang Kuhlmann, Aachen.
Diskursethik
und Demokratie.
R.
Rorty[1] stellt die Sache so
dar: Der aufgeklärte Intellektuelle von heute, der nicht vollkommen hinter
seiner Zeit zurückgeblieben ist, ist ein
Ironiker. Ein Ironiker ist jemand, der „ständig radikale Zweifel hegt an
dem abschließenden Vokabular, das er gerade benutzt.“[2]
Unablässig fragt er sich, „ob er nicht vielleicht im falschen Stamm Aufnahme
gefunden hat, ob er nicht vielleicht das falsche Sprachspiel zu spielen gelernt
hat.“[3]
Er „verwendet ständig Begriffe wie „Weltanschauung“, „Perspektive“, Dialektik“,
Begriffsrahmen“, „Sprachspiel“, „Neubeschreibung“.“[4]
Er ist überzeugt, „dass Argumente in seinem augenblicklichen Vokabular diese
Zweifel weder bestätigen noch ausräumen können.“[5]
Er glaubt nicht, über einen neutralen Standpunkt zu einer Sprache finden zu
können, die der Realität angemessener ist, ihr näher kommen kann, die
transparenter ist als seine jetzige, die er verdächtigt. Einen neutralen
Standpunkt gibt es nicht. Wir sind immer an eine kontingente nicht-neutrale
Sprache gebunden. Natürlich meint er dann auch nicht, dass wir über etwas so
etwas wie die definitive Wahrheit
herausfinden können, dass es so etwas wie definitive Wahrheit oder Richtigkeit
überhaupt gibt. Was für uns günstigstenfalls möglich ist, ist, Anregungen für
Neubeschreibungen des jeweils Thematischen, Anregungen für ein verändertes
Vokabular, zu finden, die vielleicht zufällig von anderen aufgenommen werden,[6]
ist, die jeweils neue Sprache „gegen die alte auszuspielen.“[7] - Ein solcher Ironiker wird gar nicht erst
auf die Idee kommen, so etwas wie eine intersubjektiv gültige Begründung für
die Idee der Demokratie zu suchen. Er wird dergleichen für unmöglich, sinnlos,
ja sogar für schädlich halten. Die Demokratie brauche so etwas nicht, es würde
ihr sogar schaden. Ja die Idee, die Demokratie könne durch philosophische
Begründungen zusammengehalten werden, sei lächerlich.
Ein Transzendentalpragmatiker
unterstellt wie der Ironiker zunächst, dass die radikalen Versionen von
Fallibilismus, Holismus und Historizismus, die die Pragmatisten und
Neopragmatisten vertreten, Recht haben, er unterstellt, dass wir mit unseren
rationalen Vorhaben wesentlich an kontingente Sprachen und Vokabulare gebunden
sind, deren Angemessenheit zur Realität wir nicht kontrollieren können. Aber er
macht sich dann klar, dass er wenigstens Unterstellungen dieser Art als intersubjektiv gültig ansehen muss, wenn sie der
Rede wert sein sollen, d.h., dass er nicht auch diese auf eine bloß kontingente
Sprache relativieren darf. Er stößt damit darauf, dass nicht alle Sprachspiele als kontingent und als bloß jeweils für uns
unhintergehbar gelten können, dass es vielmehr auch solches gibt, dass als unhintergehbar für jedermann
ausgezeichnet werden kann. Als unhintergehbar für jedermann erweist sich das
Sprachspiel des Diskurses, erweisen sich die Regeln und Voraussetzungen
sinnvoller Argumentation, weil Einwände und Argumente die sich gegen diese
wenden würden, selbst zerstören müssen. Mit dieser Reflexion unterscheidet er
sich von den Gegnern, mit denen Rorty rechnet, dem „Metaphysiker“ und dem
Vertreter des „Gesunden Menschenverstandes“, die sich wesentlich nur durch ihre
Naivität auszeichnen, mit der sie ihrem jeweiligen Idiom einfach vertrauen. -
Wenn sich aber etwas von der Art des Diskurssystems[8]
als unhintergehbar für jedermann auszeichnen lässt, als etwas, an das die
Zweifel auch des Ironikers nicht herankönnen, dann kann man erstens die Ziele
für Philosophie und andere intellektuelle Unternehmen wieder etwas höher
ansetzen (statt bloßer Aufrechterhaltung von „edifying conversation“:
langfristige Bemühung um (wahre) final opinions im Sinne von Peirce)[9]
und so der philosophischen Arbeit ihren Sinn wiedergeben und man kann zweitens
den Voraussetzungen des Diskurses Regeln und Normen für das Miteinander von
Diskursteilnehmern entnehmen, das notwendig ist, damit der Diskurs erfolgreich
sein kann. Diese – für jedes rationale Wesen nachweislich unhintergehbaren -
Regeln können als Basis für eine Ethik angesehen werden, als Basis der
Diskursethik, deren zentrale Aussagen über Gerechtigkeit und Autonomie sich
gerade auch auf die Grundprobleme der
Demokratie beziehen. Mit alledem
bestreitet der Transzendentalpragmatiker, dass es unmöglich und daher sinnlos
ist, eine philosophische Grundlegung der Idee der Demokratie zu versuchen. Er
ist überdies der Meinung, dass überhaupt nicht klar ist, weshalb eine solche
Grundlegung schaden können soll.[10]
Er behauptet vielmehr, dass angesichts der offenen und versteckten Feinde der Demokratie
und angesichts der kursierenden falschen Auffassungen von Demokratie eine
solche Grundlegung durchaus nützlich und vernünftig sein kann.
Im Folgenden möchte ich mich auf zwei Punkte
konzentrieren. Ich möchte überprüfen: Was ist es genau, das man von Seiten der
Diskursethik zum Problem der Demokratie sagen kann? Welchen Status haben diese
Beiträge, von welcher Position aus werden sie geäußert, welche Reichweite haben
sie, und welche Ansprüche können dazu erhoben werden? (I) - Was ist es inhaltlich,
das die Diskursethik hier beitragen kann?
Was genau fordert die Diskursethik inhaltlich von der Idee der
Demokratie? (II) I
Die transzendentalpragmatische Diskursethik
beutet für ihre Ethikbegründung folgenden Umstand aus: Der Diskurs ist als die
Instanz, in der über das Recht von Geltungsansprüchen (zu Problemlösungen)
rational entschieden wird, für jedermann schlechthin rational unhintergehbar.
Eine intersubjektiv gültige Entscheidung über das Recht von Geltungsansprüchen,
eine intersubjektiv gültige Problemlösung, ist nur möglich, wenn die am Diskurs
Beteiligten sich gegenseitig vom Recht
ihrer Vorschläge überzeugen können.
Wenn wir aber als Diskursteilnehmer uns wechselseitig überzeugen (nicht nur überreden) müssen, dann stehen wir immer schon
auch als solche zueinander, die sich wechselseitig als vernünftig, frei und gleichberechtigt anerkennen.
Die moralische Substanz dieser für uns qua
Vernunftsubjekte unhintergehbaren Konstellation kann durch die
transzendentalpragmatische Diskursethik in zwei
Grundprinzipien ausgedrückt werden, die dem Rechnung tragen, dass wir qua
Diskursteilnehmer immer schon Mitglieder sowohl einer idealen wie auch einer bloß realen Kommunikationsgemeinschaft sind:
1. Wir sind verpflichtet, alle moralischen Probleme mithilfe von fairen,
nicht-persuasiven praktischen Diskursen zu lösen, an denen alle Beteiligten und
Betroffene teilnehmen sollen.[11]
2. Wir sind verpflichtet, daran mitzuarbeiten, dass (langfristig) die
Bedingungen der Anwendbarkeit dieser idealen Forderung realisiert werden. Hier
gehen wir von den Bedingungen der realen Praxis aus, in der die erste Forderung
nicht immer zumutbar ist. Die
Diskursethik etabliert damit Verpflichtungen, die für die Frage einer möglichen
Rechtfertigung oder Begründung der Idee der Demokratie unmittelbar einschlägig
zu sein scheinen.
Man könnte nun denken, die Diskursethik
verlange unmittelbar die Einrichtung
demokratischer Verhältnisse unter den Menschen, weil die Diskursethik eine
Konstellation von Personen zueinander als vorbildlich unterstellen muss, in der
die Personen als freie und gleiche miteinander gemeinsam ihr Probleme rational
zu lösen versuchen. In diesem Sinne hatte der frühe Habermas von der „idealen
Sprechsituation“ als „Vorschein einer Lebensform“ gesprochen.[12]
Aber der Verweis auf diese Ähnlichkeiten
ist zu global und unverbindlich. Wir müssen genauer hinsehen. Was genau folgt
aus der Diskursethik, und auf welche Weise folgt es?
Betrachten wir zunächst die Form der
transzendentalpragmatischen Diskursethik etwas näher. Bei dieser Konzeption
handelt es sich von Anfang an um eine zweistufige
Verfahrensethik: Auf der ersten Stufe wird ein formales Verfahren zur
Erzeugung von Normen bzw. Handlungsanweisungen begründet, nämlich der faire,
nicht-persuasive praktische Diskurs unter allen Beteiligten und Betroffenen.
Auf der zweiten Stufe wird dann in dem – so begründeten – praktischen Diskurs
die jeweilige konkrete Norm bzw. Handlungsanweisung gerechtfertigt. Das, was
auf der ersten Stufe begründet wird, können wir „direkte“ Verpflichtung nennen, sie ist direkt begründet durch ein
starkes reflexives Unhintergehbarkeitsargument[13]
und gilt ohne (nicht-trivialen) Fallibilismusvorbehalt. Das, was auf der
zweiten Stufe begründet wird, können wir „indirekte“
Verpflichtung nennen. Diese ist nur indirekt durch das Unhintergehbarkeitsargument
begründet, direkt dagegen durch den faktisch immer nur vorläufigen Konsens der
Diskursteilnehmer (der vom konkreten Problem Betroffenen bzw. an ihm
Beteiligten) im praktischen Diskurs, sie gilt mit einem nicht-trivialen
Fallibilismusvorbehalt. - K.-O. Apel hat
nun bekanntlich zusätzlich vorgeschlagen, innerhalb dieser zweistufigen
Diskursethik zwei Teile zu unterscheiden, den Teil A, in dem es um die reflexive Begründung der direkten Verpflichtung
zum Diskurs und um die Rechtfertigung von (indirekten) konkreten
Verpflichtungen durch den - als ideal (bzw. als annähernd ideal) unterstellten-
Diskurs geht und den Teil B, in dem
es um die Begründung einer direkten Verpflichtung[14]
zur Herstellung (bzw. Verbesserung) der Anwendungsbedingungen der Diskursethik
geht, sowie um die indirekte Rechtfertigung der Handlungsanweisungen für die
nicht-ideale reale Praxis durch Konsense im Rahmen nicht-idealer praktischer
Diskurse.[15]
Weil die Probleme, für die die Diskursethik da ist, solche der realen
(nicht-idealen) Praxis sind und diese ersichtlich unter nicht-idealen
Bedingungen gelöst werden müssen, ist Teil B der Teil, auf den es am Ende
eigentlich ankommt.
Wie gesagt, scheint die Diskursethik mit
ihrer Zentralidee von der friedlichen Kooperation von freien, vernünftigen und
gleichberechtigten Personen ein direkt präskriptives Modell für die Demokratie
zu geben. Aber genaugenommen enthält die transzendentalpragmatische
Diskursethik mit Bezug auf das Problem der Demokratie zunächst nur das
folgende: Es gibt zum einen die
direkte reflexiv begründete Verpflichtung aus Teil B, dafür zu sorgen, dass die
Voraussetzungen für die tatsächliche Durchführung von praktischen Diskursen
geschaffen werden. Das schließt insbesondere ein, dass wir die direkte
Verpflichtung haben, dafür zu sorgen, dass bei den Adressaten der Forderung die
erforderliche grundsätzliche Bereitschaft zu solchen Diskursen - dazu gehört
ein Mindestmaß an Friedlichkeit, Verlässlichkeit und Autonomie der potentiellen
Diskurspartner - überhaupt gegeben sein
können.[16]
Das ist eine Verpflichtung, die der grundsätzlichen Verpflichtung, staatliche,
rechtliche und (vielleicht) demokratische Verhältnisse zu schaffen, schon
ziemlich nahekommt. – Es gibt hier zum
anderen die indirekte Verpflichtung aus Teil B, praktische Diskurse[17]
über die konkrete Realisierung und Gestaltung solcher (rechtlichen und
staatlichen) Verhältnisse, die ja für das Leben der Menschen, die in ihnen
leben sollen, von allergrößter Bedeutung sind, durchzuführen und dann die –
(nicht-trivial) falliblen – Resultate dieser Diskurse unter den jeweils
faktisch gegebenen Bedingungen auch tatsächlich auszuführen.
Demokratie ist demnach für die
transzendentalpragmatische Diskursethik nicht nur etwas, das in der Lebenswelt
der Menschen bloß vorgefunden wird und mit dem dann moralisch richtig umzugehen
ist, sie ist in erster Linie vielmehr
etwas von der Art dessen, was selbst
durch die Diskursethik gefordert wird.
- Gefordert wird allerdings direkt
(d.h. ohne Vermittlung eines praktischen Diskurses) zunächst nur, dass die notwendigen Voraussetzungen für die
Durchführung von praktischen Diskursen, insbesondere für deren Zumutbarkeit,
realisiert werden. Was genau unter den gegenwärtigen Verhältnissen zu diesen
Voraussetzungen zählt, muss dann in einem besonderen (theoretischen) Diskurs
festgestellt werden[18],
folgt also nicht unmittelbar aus den grundlegenden reflexiven Argumenten
selbst. Freilich können wir das wahrscheinliche Resultat eines solchen
Diskurses antizipieren: Die allgemeine Zumutbarkeit der Diskurse ist vor allem
dann gegeben, wenn unter dem Schutz von rechtsstaatlichen,
demokratisch verfassten Verhältnissen gehandelt werden kann. Festzuhalten
aber ist, dass nicht Demokratie selbst oder eine bestimmte Form der Demokratie direkt gefordert wird, sondern nur notwendige Bedingungen der Zumutbarkeit
des Diskurses, nur ein Rahmen für
entsprechende Institutionen.
Die Demokratie ist in zweiter Linie natürlich
auch etwas, an das indirekte
Forderungen der Diskursethik ergehen. Gefordert wird von der Diskursethik, dass
praktische Diskurse durchgeführt (und deren Resultate dann auch ausgeführt)
werden über die Art der Realisierung, der Gestaltung und der Umgestaltung der
von ihr direkt geforderten Institutionen. Diese sollen ja nicht nur praktische
Diskurse überhaupt möglich machen, sondern sie werden auch tief und folgenreich
in die Lebensverhältnisse der von ihnen betroffenen Menschen eingreifen, müssen
also nach moralischen Gesichtspunkten so eingerichtet und geformt werden, so
dass sie als gleichermaßen gut für alle gelten können. In diesen Diskursen sind
die Gesichtspunkte der Moral zwar die wichtigsten aber nicht die einzigen. Wie
vor allem bei Rawls sehr deutlich wird, kommt es bei solchen Institutionen z.B.
nicht nur auf so etwas wie die gerechte Verteilung des gemeinsam erzeugten
Kuchens an, sondern auch darauf, wie groß der Kuchen sein wird, d.h. auf die
Effektivität der Institution. Und es kann gegebenenfalls sein, dass moralische,
technische und andere Gesichtspunkte sehr stark voneinander abhängen. Das macht
es doppelt schwer, die Resultate eines solchen Diskurses zu antizipieren.
Mit
alledem zeigt sich: Die Beziehungen zwischen transzendentalpragmatischer
Diskursethik und Demokratie sind nicht direkt und einfach, aber sie sind eng.
Sie sind nicht einfach, weil die einschlägigen Forderungen der Diskursethik auf
verschiedenen Ebenen erhoben werden, verschiedenen Status haben und sich auf
verschiedene Aspekte der Demokratie beziehen (Voraussetzung des praktischen
Diskurses, Institution, die für die Lebensverhältnisse der Betroffenen von
großer Bedeutung ist). Sie sind nicht direkt, weil die Forderungen nicht
unmittelbar auf die Demokratie zielen, sondern zunächst nur auf eine Funktion,
die unter bestimmten Bedingungen besonders gut durch die Demokratie erbracht
werden kann. Aber sie sind gleichwohl eng. Ernstzunehmende Alternativen zur
Demokratie, Alternativen, die gleichermaßen oder besser praktische Diskurse
unter autonomen Personen zumutbar machen können und die zugleich selbst – wie man bei Rawls sehen kann –
optimal gerecht gestaltet werden können, sind nicht in Sicht.
Habermas charakterisiert die Beziehungen
zwischen Diskursethik und Demokratie als noch enger und einfacher. Er versteht
in seiner „Diskurstheorie“, durch die er die früher vertretene Diskursethik
ersetzt, das Demokratieprinzip qua Rechtsprinzip[19]
als gleichgeordnet dem Moralprinzip und gewinnt beide Prinzipien durch
Spezifizierung des Geltungsmodus aus dem logisch vorgeordneten (hinsichtlich
seines Geltungsmodus noch neutralen) Diskursprinzip D: „Gültig sind genau die
Handlungsnormen, denen alle möglicherweise Betroffenen als Teilnehmer an
rationalen Diskursen zustimmen können.“[20]
Dieser Versuch, eine politisch autonome Begründung für das Demokratieprinzip zu
finden, die das Recht nicht einseitig von der Moral abhängig macht, führt
freilich dazu, dass die ursprüngliche Hauptidee der Diskursethik, die Idee
einer rationalen (reflexiven) Begründung von moralischen Verpflichtungen,
zerstört wird: Wenn die Verhältnisse im Diskurs nicht von Anfang an als für uns
unhintergehbare moralische Verhältnisse gezählt werden, dann kommt man später
nie wieder zu moralisch relevanten Konsequenzen der Diskursidee. Wie
nachträglich aus einem neutralen Diskursprinzip sich moralisch relevante
kategorisch geltende Verpflichtungen ergeben sollen, ist völlig unklar. Daher
scheint mir dieser direktere Weg der Begründung des Demokratieprinzips nicht
gangbar.[21]
II
Was sagt die Diskursethik inhaltlich zum
Problemkreis: Demokratie? Wir haben im Vorigen zwei Hauptaspekte unterschieden:
Die Diskursethik fordert einmal die Etablierung und Gestaltung eines
demokratischen Rechtsstaats als Voraussetzung für die „Befolgungsgültigkeit“
der Diskursethik (i). Und sie fordert zum anderen die moralisch richtige
Gestaltung der Demokratie qua enorm wirkungsmächtiger Faktor in der Lebenswelt
der betroffenen Menschen (ii).
Zu (i). Hier sind vor allem zwei Probleme
wichtig, die jedoch an dieser Stelle nur erwähnt werden können. (a) Die
wesentliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Diskursethik ist zunächst
die Rechtsstaatlichkeit. Es ist nun nicht ohne weiteres klar, ob legitimes
Recht und Rechtsstaatlichkeit im engeren Sinne ausschließlich an demokratische
Verhältnisse gebunden sind – wie Habermas behauptet - , und in welchem Sinne
sie es sind Ich halte diese These im
Grunde für richtig, sehe aber keine Möglichkeit, sie hier zureichend zu
begründen.[22]
– (b) Rechtsstaatlichkeit wird
gefordert, damit im Schutze des sanktionsbewehrten Rechts moralische Probleme
durch praktische Diskurse gelöst werden können. Nun sind Staaten, Demokratien
partikulare Entitäten, die zudem in Konkurrenz zueinander stehen. D.h., der
Schutz des sanktionsbewehrten Rechtes reicht nicht für moralische Probleme, die
gegenwärtig immer wichtiger und zentraler werden: moralische Probleme, die das
Verhältnis von Staaten zueinander betreffen, Probleme, die den ganzen Planeten
betreffen.[23]
Zu (ii). Wir unterscheiden zwischen allgemeinen ständigen Forderungen der
Diskursethik an die Demokratie (a) und aktuellen,
gegenwärtig besonders hervorzuhebenden Forderungen (b). Zu (a): Hier geht es darum, das ganze
komplexe Phänomen Demokratie so zu bestimmen, es so zu konzeptualisieren, dass
den bekannten einschlägigen Hauptforderungen der Diskursethik: Autonomie,
Gerechtigkeit und Solidarität der Bürger, optimal entsprochen wird. Die Aufgabe
besteht also darin, dass die wechselseitig aufeinander bezogenen und von
einander abhängigen Momente, die zusammen das ganze Phänomen Demokratie
ausmachen, wie: Staat (öffentliche Verwaltung), Gesellschaft, Bürger, Politik
(politische Willensbildung), dazu die Subsysteme: Markt, Recht, Macht etc. so
konzeptualisiert, aufeinander bezogen und ausbalanciert werden, dass sichtbar
wird, wie eine Institution, die gleichermaßen
gut für alle (Beteiligten) wäre, möglich ist. Diese Aufgabe, die
einschließt, dass die Konzeption von Demokratie situiert wird im Kontext
konkurrierender Modelle, ist nach meiner Auffassung von Habermas[24]
bereits mustergültig gelöst worden.[25]
Zu(b): Hier geht es um die Verteidigung der
Demokratie gegen ihre Feinde, die in der letzten Zeit sehr erfolgreich dabei
sind, die Demokratie in ihrem Sinne neu zu interpretieren und umzugestalten.
Gemeint sind die Vertreter des Neoliberalismus in der Ökonomie. Ich beziehe
mich im folgenden auf die aufregende, ja alarmierende Darstellung der
Beziehungen zwischen Kapitalismus und Demokratie in den entwickelten
Industriestaaten in den letzten fünfzig Jahren, die Wolfgang Streeck kürzlich
vorgelegt hat.[26]
Streeck rekonstruiert zunächst im ersten Teil
seines Buches die Transformation des keynesianisch geprägten Nachkriegssystems
in ein hayekianisch geprägtes System der Gegenwart. „Nach 1945 befand sich der
Kapitalismus weltweit in der Defensive“ und konnte seine gesellschaftliches
Überleben nur durch „erhebliche Zugeständnisse“ retten: „mittelfristig in
Gestalt staatlicher Konjunkturpolitik und Planung zur Gewährleistung von
Wachstum, Vollbeschäftigung, sozialem Ausgleich und einem stetigen Schutz vor
den Unberechenbarkeiten des Marktes: langfristig in Form eines historischen
Auslaufens des Kapitalismus in einer Welt permanent niedriger Zinsraten und
Gewinnspannen.“ (51) Der Staat spielte dabei die dominierende Rolle eines
„marktdisziplinierenden, planenden und umverteilenden Interventionsstaats, der freilich
bei Strafe des Verlustes seiner Legitimität die Geschäftsgrundlage des neuen
Kapitalismus abzusichern hatte.“ (52) Dieses System wurde Ende der 60er Jahre aufgekündigt
durch den Kapitalismus, der sich immer mehr als Verlierer fühlte, von dem zu
hohe Opfer gefordert wurden und der dem System angesichts „weltweiter Wellen
wilder Streiks“ 1968 und 1969 nicht mehr vertraute. „Unternehmen, Industrien
und Verbände“ verlangten „Liberalisierung des Kapitalismus und Expansion der
Märkte nach innen und außen“, (55)sie verlangten Deregulierung und
Privatisierung, wo irgend möglich, d.h. eine grundsätzliche Änderung der
Symbiose von Markt und Demokratie. Der Siegeszug des Neoliberalismus beginnt.
Zur gleichen Zeit geht das Wachstum zurück, die Investitionen, die erforderlich
sind für die Vollbeschäftigung und damit für die Aufrecherhaltung des
Gesellschaftsvertrages, bleiben aus. Die Staaten versuchen erst durch
Inflationspolitik und dann durch Verschuldung den status quo aufrecht zu
erhalten, verlieren dabei ihre vormals dominierende Stellung und geraten immer
stärker in die Abhängigkeit vom Finanzkapital, das immer eindeutiger die terms
of trade im Sinne des Neoliberalismus festsetzen kann. Die westlichen
Demokratien werden neuinterpretiert und umgestaltet im Sinne des
Neoliberalismus. [27]
Der zweite Abschnitt des Buches gilt der
Krise der Staatsfinanzen im Neoliberalismus. Die Ursache dieser Krise ist nach
Auffassung von Streeck nicht das, was die (neoliberal gewordene)
Standardökonomie dafür erklärt, nämlich die sog. tragedy of the commons, d.h.
die Überforderung des Staates durch die Inflation der Ansprüche zu verwöhnt
gewordener Bürger, sie gehe vielmehr nachweislich zurück auf die Deregulierung,
die Aufblähung und das Scheitern des Finanzsektors, dem es jedoch am Ende
gelang , „die in Schieflage geratenen Großbanken als ... “systemrelevant“ und
deshalb politisch rettungswürdig darzustellen.“ (81) Im Grunde jedoch bestehe
die Ursache der Krise in einem „Funktionsproblem des modernen Staates, das
darin besteht, dass dessen Fähigkeit, einer Gesellschaft von Privateigentümern
die Mittel abzuringen, die er zur Erfüllung seiner- wachsenden – Aufgaben
benötigt, tendenziell hinter dem Notwendigen zurückbleibt.“ (98) Der zu schwach
gewordene Staat schaffe es nicht, von den Kapitalisten, die in seinem Schutze
agieren, die erforderlichen Steuern einzutreiben. Der Steuerstaat werde damit zum Schuldenstaat,
der sich vor allem um die Aufnahme von Krediten und deren Bedienung kümmern
muss. - Die wichtigste Konsequenz ist, dass die Kreditgeber – und das sind
wieder die Kapitalisten – immensen Einfluss auf den Staat bekommen, dem sie ja
Kredite nur geben und verlängern, wenn dieser sich so verhält, wie sie es
wollen. Damit tritt neben die Bürger einer Demokratie, denen gegenüber der
Staat verantwortlich ist, als zweite Instanz das Kapital, das den Staat
finanziert, eine Instanz, dem der Staat daher in einem wörtlichen Sinne zu
„gehören“ scheint, und die zugleich viel besser und effektiver organisiert ist
als die Staatsbürger. Als solche kann das Kapital durchsetzen, dass er sich im
Sinne des Neoliberalismus versteht und umformt.
Im dritten Abschnitt wird beschrieben, wie
der neoliberale Umbau des politisch ökonomischen Systems vollendet wird durch
die Transformation des Schuldenstaats in einen internationalen „Konsolidierungsstaat“. Streck schreibt:
„Vollständig obsiegen konnte (die neoliberale Revolution) erst im Zuge der
Internationalisierung der europäischen politischen Ökonomie und der
Umgestaltung des europäischen Staatensystems in ein Mehrebenenregime mit
national eingegrenzter Demokratie und multinational organisierten Finanzmärkten
und Aufsichtsbehörden – eine Konfiguration, die sich als ideales Vehikel einer
Neutralisierung von politischem Druck von unten bei Ausweitung der privaten
Vertragsfreiheit gegenüber staatlicher Kontrolle von oben seit langem bewährt
hat.“ (158f.) Mit dem damit entstandenen „internationalen Konsolidierungsstaat“
„ist der Hayeksche Entwurf einer liberalisierten, gegen politischen Druck
immunisierten kapitalistischen Marktwirtschaft auf dem Weg zu seiner immer
vollständigeren Verwirklichung.“ (159)
Das Ganze ist eine erschreckende
Rekonstruktion einer Entwicklung, in der die Demokratie, die vorher ihre
Aufgabe, die Gestaltung des öffentlichen Lebens, in ganzer Breite hat wahrnehmen können und
die den Markt als ein Subsystem unter anderen zähmen und in ihren Dienst
stellen konnte, sukzessive immer mehr entmachtet, deformiert, zurückgeschnitten
und in den Dienst des Marktes gestellt wird. Inzwischen ist das Resultat der
Entwicklung so festgezurrt und mehrfach gesichert, dass kaum noch zu sehen ist,
wie und an welcher Stelle effektiver Widerstand möglich ist. - Was folgt aus der
transzendentalpragmatischen Diskursethik für diese Vorgänge, wenn wir
unterstellen, sie seien hier im wesentlichen richtig rekonstruiert worden?
Wenn wir uns auf den von Habermas im Sinne
der Diskursethik vorgelegten normativen Demokratiebegriff beziehen (iia), dann
folgt natürlich, dass sowohl die rekonstruierte faktische Entwicklung wie auch
das sie begleitende und unterstützende ideologische Selbstverständnis der
Neoliberalen scharf zu kritisieren sind. Die Hauptpunkte liegen auf der Hand.
Wenn die Demokratie im angegebenen Sinne vom Markt gekapert und gefangen
gehalten wird, dann wird damit die Autonomie
– um deretwillen ja die Demokratie eigentlich da ist – der Mehrheit der
Staatsbürger verletzt. Wenn die Demokratie im Sinne des Neoliberalismus transformiert
wird, dann führt das zu einer Verkürzung der für die Diskursethik zentralen
Idee der Gerechtigkeit. Der Maßstab
der sozialen Gerechtigkeit wird als irrational und obsolet desavouiert. Es
bleibt allein die fragwürdige Idee der Marktgerechtigkeit. Und wenn das politische Leben in der
Demokratie im Wesentlichen als Marktgeschehen verstanden wird, dann wird damit
gegen den für die Diskursethik zentrale (normativen) Primat des verständigungsorientierten Handelns vor dem
strategischen Handeln verstoßen.
Rorty hatte gesagt, es sei witzlos, schädlich, ja lächerlich nach so etwas wie
einer philosophischen Begründung für die Demokratie zu suchen. Die relevante
Diskussion sei außerdem schon gelaufen. (114). Mir scheint, Rorty hat in allen
Punkten Unrecht: 1. Die Diskussion ist hier durchaus nicht schon gelaufen. Sie sollte insbesondere auch
wissenschaftstheoretisch geführt werden. Die Dominanz des Neoliberalismus in
der Ökonomik verdient es durchaus, kritisch
hinterfragt zu werden. 2. Es geht hier wesentlich um normative Fragen d.h. nicht um Fragen
der empirischen Wissenschaften. Philosophie ist hier zuständig. 3. Philosophie
ist insbesondere auch deswegen
zuständig, weil hier Argumente
gefragt sind, nicht nur (suggestive) Erzählungen, Impressionen. 4. Diese Argumente sollten stark und
überzeugend sein. Hier scheint mir die Diskursethik deswegen besonders
einschlägig zu sein, weil diese die Begründung der Ethik über die reflexive
Aufdeckung von vortheoretischen moralischen Intuitionen laufen lässt, die jeder
Adressat ohnehin schon hat. D.h. die hier erforderliche Aufklärung des Bürgers
über das, was er in Wirklichkeit – qua vernünftiges Wesen will – läuft hier
gerade über die kritische Rekonstruktion der vortheoretischen moralischen
Intuitionen, die der Bürger qua Mitglied der Diskursgemeinschaft immer schon
hat und als die seinen wiedererkennen kann. Erinnerung an solche Intuitionen,
ihre Präzisierung, Schärfung und Rechtfertigung durch starke
(Letztbegründungs-) Argumente ist angesichts der ja nicht überall erfolglosen
Versuche der Neoliberalen, die Idee der sozialen Gerechtigkeit zu desavouieren,
durchaus nicht lächerlich.
[1] R, Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität,
Frankfurt am Main 1992.
[2] A.a.O., 127
[3] A.a.O., 129f.
[4] A.a.O., 130.
[5] A.a.O., 127
[7] A.a.O., 128. „Interessante
Philosophie ist nur selten eine Prüfung der Gründe für und wider eine These.
Gewöhnlich ist sie explizit oder implizit Wettkampf zwischen einem erstarrten
Vokabular, das hemmend und ärgerlich geworden ist, und einem neuen Vokabular,
das erst halb Form angenommen hat und die vage Versprechung großer Dinge
bietet. A.a.O. 30.
[8] zu dem als der
letzten Entscheidungsinstanz über das Recht von Geltungsansprüchen Regeln und
Standards für erfolgreiche langfristige Bemühungen um Wahrheit und Richtigkeit
gehören.
[9] Aus den für uns
unhintergehbaren Diskursvoraussetzungen lassen sich nämlich Standards und
Verfahren gewinnen die den bei Rorty gar nicht mehr vorgesehenen Fortschritt in
Philosophie (und Wissenschaft) wieder möglich machen.
[10] Rorty denkt hier
wahrscheinlich daran, dass eine besondere philosophische Begründung für eine
These mit dem demokratischen Prinzip der prinzipiellen Gleichgewichtigkeit
aller Voten in Konflikt geraten könnte. Es lassen sich aber leicht Vorkehrungen
dafür denken, einen solchen Konflikt zu vermeiden.
[11] bzw. in einem
Verfahren, das dem genannten so nahe wie möglich kommt.
[12] In: J. Habermas, N.
Luhmann: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Ffm. 1971, 139ff.
[13] nicht dagegen durch einen praktischen Diskurs
unter allen (an Moralproblemen) Beteiligten und Betroffenen. Das würde die
Geltung der Ethik relativieren auf den Kreis derjenigen, die schon bereit sind,
am praktischen Diskurs teilzunehmen.
[14] die direkt aus dem
reflexiven Unhintergehbarkeitsargument folgt.
[15] Der entscheidende
Grund für diese Unterscheidung liegt darin, dass die zentrale, für alles
Weitere grundlegende Forderung der Diskursethik, die Forderung, einen
praktischen Diskurs zu führen, von der Art ist, dass der Adressat der Ethik sie
nicht allein und aus eigener Kraft erfüllen kann. Er ist darauf angewiesen,
dass die anderen ernsthaft mitmachen. Nur wenn es zum Diskurs kommt, greift ja
die Idee dieser Ethik. Daher ist die Unterscheidung zwischen idealen
Bedingungen (Teil A), unter denen die anderen bereitwillig mitmachen, und bloß realen Bedingungen (Teil B), unter denen
dies nicht sicher ist, essentiell für die Diskursethik.
[16] Wir können reflexiv
einsehen: Wir wollen den (praktischen) Diskurs immer schon, und wir wollen
daher auch die dafür nötigen Voraussetzungen, die gegebenenfalls in einem
theoretisch-explikativen Diskurs unter Diskurstheoretikern (nicht dagegen in
einem praktischen Diskurs unter Betroffenen und Beteiligten des jeweiligen
praktischen Problems) ermittelt werden können.
[17] zwischen Beteiligten und Betroffenen.
[18] ein Diskurs, der wieder nicht schon als
praktischer Diskurs zählen darf, vgl. Fußnote 12.
[19] „Normativ gesehen
gibt es keinen Rechtsstaat ohne Demokratie“ (J. Habermas: Die Einbeziehung des
Anderen. Ffm. 1996, 251)
[20] J. Habermas:
Faktizität und Geltung. Ffm. 1994, 138.
[21] Vgl. W. Kuhlmann:
Die Idee des Diskurses und die Idee der Demokratie. Zu Jürgen
Habermas`Konzeption deliberativer Politik. In: H. Burckhart (Hg.): Diskurs über
Sprache. Würzburg 1994, 83-102, bes. 101.
[22] Vgl. dazu die ausführliche Diskussion Bei Apel: in K.-O. Apel:
Auseinandersetzungen, Ffm. 1998,
742ff., 816ff.
[23] Vgl. K.-O. Apel,
a.a.O. 755ff.
[24] nämlich in
„Faktizität und Geltung“ a.a.O. und in einer Reihe von Ausätzen.
[25] wobei die Differenzen
zwischen Universal- und Transzendentalpragmatik über den Weg, der zu der
richtigen Konzeption von Demokratie führt, keine Rolle mehr spielen. - Von
besonderer Bedeutung ist dabei, dass damit ein Demokratiemodell entworfen ist,
das a) der diskursethischen Auffassung vom ursprünglichen Zusammenhang der
Vernunftsubjekte untereinander gerecht werden kann (Es geht nicht um das
Verhältnis zwischen von Hause aus strategisch handelnden egoistischen Monaden,
sondern um Wesen, die von Anfang an in kommunikativen/diskursiven
Verhältnissen aufeinander bezogen sind); und das b) dem logisch/ethischen
Primat des verständigungsorientierten vor dem strategischen Handeln Rechnung
trägt (was vor allem für Fragen der politischen Willensbildung relevant ist).
[26] Wolfgang
Streeck: Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus,
Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2012, Ffm. 2013. Seitenangaben im folgenden Text
beziehen sich hierauf.
[27] Abgeschafft bzw. in
Frage gestellt wurden: „Politisch garantierte Vollbeschäftigung,
flächendeckende Lohnfindung durch Verhandlungen mit freien Gewerkschaften,
Mitbestimmung der Arbeitnehmer..., staatliche Kontrolle von
Schlüsselindustrien, ein breiter öffentlicher Sektor mit sicherer Beschäftigung
als Vorbild für die Privatwirtschaft, universelle, gegen den Wettbewerb
geschützte soziale Bürgerrechte, durch Einkommens- und Steuerpolitik in engen
Grenzen gehaltene soziale Ungleichheit und staatliche Konjunktur und
Industriepolitik zur Verhinderung von Wachstumskrisen..(56).. - Am Ende dieser Entwicklung stand... ein
zunehmend marktangepasster, „schlanker“ und auf „Rekommodifizierung“ hin
ausgelegter „modernisierter“ Wohlfahrtsstaat, dessen
„Beschäftigungsfreundlichkeit“ und niedrigere Kosten durch eine Absenkung des
durch soziale Bürgerrechte gewährleisteten Mindestniveaus gesellschaftlicher
Subsistenz erkauft worden waren.“ (57) -
Das ganze wird begleitet und gefördert durch eine sehr effektive
Öffentlichkeitsarbeit der Kapitalisten, hinter der die an den Universitäten zunehmend
dominierende neoliberale Ökonomik steht. Ihr gelingt es, zum einen den Markt als per se neutrale und gerechte
Institution zu deuten, die in jedem Fall Vorrang vor der verdächtigen
„schmutzigen“ Politik verdiene, und zum anderen plausibel zu machen, dass die
Hauptaufgabe der Demokratien darin bestehe, den „gerechten Marktprinzipien“ zur
Geltung und Durchsetzung zu verhelfen.
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